Spezialfutter bei Nierenerkrankungen (CNE, CNI)

Nierendiät für Katzen – sinnvolle Option, notwendiges Übel oder gar schädlich?

Gegen die Chronische Nierenerkrankung (CNE) gibt es für Katzen kaum wirksame Medikamente, die die Krankheit selber behandeln. Stattdessen wird von Tierärzten in den meisten Fällen Spezialfutter („Nierendiät“) empfohlen, um die Nieren zu entlasten.

Die Haupteigenschaften von Nierendiäten – Weniger Phosphat…

Phosphat ist eigentlich ein lebenswichtiger Bestandteil von Katzenfutter, der (zusammen mit Calcium) u.a. für Skelett, Zähne, Muskeln und den Energiestoffwechsel gebraucht wird. Kranke Nieren können allerdings überflüssiges Phosphat nicht mehr so gut über den Urin ausscheiden. Daher enthalten Nierendiäten weniger Phosphat.

Der positive Effekt der Phosphatreduktion bei CNE / CNI wird durch Studien gestützt. [2]

„Renal diets are restricted in protein, phosphorus and sodium and supplemented with potassium, omega-3 fatty acids, B vitamins and fat content, and are alkalinising. It is unknown which alterations are responsible for survival benefits, although studies in experimental models support phosphate restriction, and essential fatty acid (EFA) supplementation as potential mechanisms.“

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9781026

…und weniger Proteine?

Sehr häufig wird außerdem empfohlen, bei Nierenerkrankungen Futter mit wenig Protein zu füttern. Ob das wirklich sinnvoll ist, ist allerdings nicht ganz so klar, eindeutige Belege dazu fehlen bisher:

„The ideal dietary nutrient composition to optimize the health of cats with chronic kidney disease (CKD) remains unclear. […] there is inadequate evidence to support protein restriction.“1

Gefährlich kann vor allem der Verlust von Muskelmasse und Gewicht durch zu wenig Protein im Futter werden.

„Recent studies have suggested that cats with CKD may require more protein than what is provided in renal diets because body weight (BW), body condition score (BCS) and/or muscle mass (MM) may decline over time.“2

Die meisten Nierenfutter enthalten leider trotzdem nur sehr wenig Protein. Denn Protein zu reduzieren ist eine einfache Möglichkeit, auch das Phosphat zu senken.

Womit werben Hersteller von Nierendiäten?

Wenn der Haupteffekt von Nierendiäten auf der Phosphatreduktion beruht, könnte man dann nicht einfach statt Nierendiät ein normales Futter mit einem niedrigen Phosphatgehalt füttern? Oder einen Phosphatbinder zu normalem Futter geben?

Nierendiäten für Katzen werben – neben der unumstrittenen Phosphatreduktion – auch noch mit anderen Eigenschaften. Dies wird oft als Argument dafür verwendet, dass Nierendiäten besser als eine reine Phosphatreduktion wirken sollen.

Die beworbenen Eigenschaften sind meist:

  • Weniger Protein, dafür hochwertig
  • Mehr Taurin und B-Vitamine, da diese vermehrt ausgeschieden werden
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Antioxidantien
  • Weniger Natrium (laut Studien kein positiver Effekt belegt, evtl. sogar schädlich bei starker Reduktion)3, 7
  • Unterstützung des Säure-Basen-Haushalts (Vorbeugung der Azidose)
  • Mehr Kalium
  • Hoher Feuchtigkeitsgehalt
  • Mit Bindemitteln für nierenschädigende Substanzen

Abgesehen davon, dass für viele dieser Maßnahmen bisher kein Beweis existiert, dass sie einen positiven Effekt auf Nierenerkrankungen bei Katzen haben…

Viele Diätfutter halten diese Versprechen gar nicht ein!

Zusammensetzung von 3 typischen Nierendiäten

Hier haben wir 3 typische Nierendiäten verglichen und auf die beworbenen Aussagen überprüft. Wie man sieht, werden nur wenige der angeblichen Vorteile umgesetzt. Zudem sind die Zusammensetzungen sehr schlecht (oder zumindest sehr schlecht deklariert), der Proteingehalt sehr niedrig und der Kohlenhydratanteil sehr hoch.

Katzenfutter-Dose vintage

Info: Früher sagte man Chronische Niereninsuffizienz (CNI), heute eher Chronische Nierenerkrankung (CNE). Auf Englisch ist die Abkürzung CKD (Chronic Kidney Disease).


Vet Concept Low Protein Royal Canin Renal Huhn Hills k/d Kidney Care Huhn (Dose)
Protein 35% 34% 29%
Fett 35% 35% 22%
NfE (Kohlenhydrate) 20% 23% 40%
Phosphat* 0,45% 0,39% 0,52%
Ca:Ph-Verhältnis 1,6:1 1,67:1 1,79:1
hochwertiges Protein? Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse* Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse*. Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse*
Taurin 1.500 mg/kg o o
Omega-3-Fettsäuren (am besten tierisches Fett) Öle und Fette (Lachsöl) (0,5%). Unbekannte Öle und Fette Unbekannte Öle und Fette
B-Vitamine o o o
Antioxidantien o o o
Schadstoffbinder o Zeolith o
Schädliche Bestandteile Zucker Zucker

Sollte man also Nierendiät füttern oder nicht?

Unklare Studienlage

Immer wieder wird betont, dass Nierendiät in Studien eine längere Überlebensdauer für Katzen gezeigt hat. Schaut man sich diese Studien aber genauer an, fällt auf, dass gar nicht klar ist, welche der Bestandteile der Nierendiät für den positiven Effekt verantwortlich sind.

Auch sind die Zusammensetzungen von verschiedenen Nierendiäten sehr unterschiedlich. Studienergebnisse zu einem Nierenfutter kann man also nicht auf alle Nierenfutter übertragen.

Was sind die Nachteile von Nierendiät?

Bisher lässt sich wie gesagt vor allem der positive Effekt einer Phosphatreduktion belegen.

Da Phosphat vor allem in Fleisch und Knochen vorkommt, ist die Frage, wie man eine Reduktion bewerkstelligen kann, ohne die lebenswichtigen Aminosäuren aus tierischen Proteinen zu vernachlässigen.

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, Phosphat zu reduzieren:

  • weniger Phosphat durch mehr Kohlenhydrate,
  • weniger Phosphat durch mehr Fett,
  • hochwertigere (besser verwertbares) Proteine, so dass davon weniger benötigt wird.

Leider wird in vielen Nierendiäten vor allem die erste Lösung gewählt, also mehr Kohlenhydrate wie Reis oder Kartoffeln verwendet. Für einen Carnivoren wie die Katze ist das vermutlich nicht ideal.

Katzen haben als Carnivore eine andere Physiologie als Omnivore. Trotzdem können sie Kohlenhydrate verwerten.

„Die Verdaulichkeit der Stärke beträgt zwischen 40 und 100%, abhängig von der Kohlenhydratquelle und auch der Behandlung der Kohlenhydrate.“ [5]

Ihrer natürlichen Ernährung entspricht das aber nicht.

Wild lebende Katzen ernähren sich von

52% Protein

46% Fett

2% NfE (Kohlenhydrate)6

Zudem stellt sich die Frage, ob Proteine aus hochwertigem Fleisch für die Katze nicht besser zu verwerten sind, als pflanzliche Proteine und diese die Nieren daher besser entlasten.
Langzeitstudien, die verschiedene Ernährungsformen und ihre Auswirkung auf die Gesundheit der Katze untersuchen, fehlen bisher.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es bei Nierendiät vor allem folgende Nachteile gibt:

  • Protein ist für den Stoffwechsel der Katze wichtig, daher kann zu wenig davon zu Muskelabbau und Gewichtsverlust führen.
  • Das Futter ist für die Katze ungewohnt und wird daher ungern gefressen.
  • Die Phosphatreduktion wird oft durch die Verwendung von sehr viel Kohlenhydraten erreicht. Es ist unklar, ob diese die Nieren mehr oder weniger belasten als hochwertiges tierisches Protein. Auf jeden Fall ist es unnatürlich für Carnivoren.
  • Es wird mit guter Verdaulichkeit geworben, die man anhand der Zutatenliste oft eher nicht nachvollziehen kann. Die Zusammensetzung ist im Gegenteil meist eher minderwertig und / oder die Deklaration ist unzureichend.
  • Manchmal sind Zusätze enthalten, die nicht einfach ohne Kontrolle der Blutwerte gegeben werden sollten (z.B. Kalium, Eisen).
  • Das Calcium:Phosphat-Verhältnis ist meist höher als bei normalen Futtern. Das kann zu Hyperkalzämie führen, gerade bei gleichzeitiger Verwendung von Phosphatbindern.
  • Jede Katze mit CNI ist unterschiedlich, nicht in jeder Situation passt jedes Futter (z.B. braucht nicht jede Katze mit CNI Kalium oder Eisen).

Vorteile von Nierendiät

Als Vorteile von Nierendiät kann man gelten lassen:

  • Sie haben meist sehr niedrige Phosphatwerte.
  • Studien belegen die Wirksamkeit von Nierendiäten. Auch wenn unklar ist, welche Eigenschaften der verwendeten Diäten in den Studien ausschlaggebend waren.
  • Tierärzte empfehlen sie meistens.
  • Es ist einfacher, sich auf eine Nierendiät zu verlassen, als selber normales Futter mit niedrigem Phosphatgehalt herauszusuchen, sich mit den Inhalten zu befassen und bei Bedarf evtl. noch Zusätze wie Phosphatbinder, essentielle Fettsäuren, Kalium o.ä. zufüttern zu müssen. Allerdings haben wir ja gesehen, dass auch nicht alle Nierendiäten eine ideale oder bei allen Gelegenheiten passende Zusammensetzung haben.

Liste mit Nierenfuttern

Wenn man sich entscheidet Nierendiät zu füttern, sollte man daher genau hinsehen und vergleichen!
Hier haben wir eine Liste mit Nierenfuttern und ihren Eigenschaften für euch zusammengestellt:

Quellen

[1] Scherk, M. A., & Laflamme, D. P. (2016). Controversies in Veterinary Nephrology: Renal Diets Are Indicated for Cats with International Renal Interest Society Chronic Kidney Disease Stages 2 to 4: The Con View. Veterinary Clinics of North America Small Animal Practice, 46(6), 1067–1094. https://doi.org/10.1016/j.cvsm.2016.06.007

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27593575

[2] Machado, D. P., Ruberti, B., Teixeira, F. A., Vendramini, T. H. A., Pfrimer, K., Chacar, F. C., Balieiro, J. C. C., Pontieri, C. F. F., & Brunetto, M. A. (2022). Body Composition of Healthy Cats and Cats with Chronic Kidney Disease Fed on a Dry Diet Low in Phosphorus with Maintenance Protein. Toxins, 14(12), 865. https://doi.org/10.3390/toxins14120865

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9781026

[3] https://www.purinainstitute.com/de/centresquare/therapeutic-nutrition/chronic-kidney-disease-cats

[4]Verordnung – 1069/2009 – EN – EUR-LEX. (n.d.). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32009R1069 Eine gute Erklärung zu tierischen Nebenerzeugnissen bietet auch Haustiger.info: https://haustiger.info/was-sind-eigentlich-tierische-nebenerzeugnisse/

[5] Iben, C., Liesegang, A., Wichert, B. & Wolf, P. (2021). Ernährung der Katze. https://doi.org/10.1055/b-006-161630

[6] Plantinga, E. A., Bosch, G., & Hendriks, W. H. (2011). Estimation of the dietary nutrient profile of free-roaming feral cats: possible implications for nutrition of domestic cats. British Journal of Nutrition, 106(S1), S35–S48. https://doi.org/10.1017/s0007114511002285

https://www.cambridge.org/core/journals/british-journal-of-nutrition/article/estimation-of-the-dietary-nutrient-profile-of-freeroaming-feral-cats-possible-implications-for-nutrition-of-domestic-cats/

[7] Sparkes, A. H., Caney, S., Chalhoub, S., Elliott, J., Finch, N., Gajanayake, I., Langston, C., Lefebvre, H. P., White, J., & Quimby, J. (2016). ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Feline Chronic Kidney Disease. Journal of Feline Medicine and Surgery, 18(3), 219–239. https://doi.org/10.1177/1098612×16631234

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11148907

Weitere Quellen:

Zu Omega-3-Fettsäuren: https://todaysveterinarypractice.com/nutrition/role-of-dietary-fatty-acids-in-dogs-cats/

*Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse können wertvolles Fleisch und Innereien enthalten, aber auch minderwertige Schlachtabfälle oder in großen Mengen problematische Dinge wie Geflügelköpfe, Häute, Felle, Hörner, Füße, Borsten, Federn, Wolle, Haare, Abfall von Hufausschnitt, entfettete Knochen, Grieben, Zentrifugen- oder Separatorenschlamm aus der Milchverarbeitung, Plazenta, sowie Küchen- und Speiseabfälle. Werden diese Dinge auf der Verpackung nicht aufgeschlüsselt, weiß man einfach nicht, was wovon enthalten ist und wie hochwertig (oder minderwertig) das enthaltene Protein ist. [4]
Außerdem wird teilweise nicht klar, von welchen Tieren das enthaltene Protein stammt, da nur ein Teil deklariert ist.